Untwelving

I UNTWELVING

Genoël von Lilienstern   Neo Neue Musik – Signale aus der post-depressiven Klangzone

Genoël von Lilienstern   Equal Division of the Octave – Stephen Weigel im Gespräch

Irene Lehmann & Genoël von Lilienstern   7 EDO-Interviews

   mit Tolgahan Çoğulu

   mit Catherine Lamb

   mit Maddie Ashman

   mit Sevish

   mit Dolores Catherino

   mit The Mercury Tree

   mit Hear Between the Lines

Todd Harrop   Jenseits der Oktave: Komponieren mit dem Bohlen–Pierce-System

Stellan Veloce   Neustimmen der Welt – Eine Erkundung der Klangheilungen in Berlin heute

Jacques Zafra   Kann Musik überhaupt scheitern?

Fabian Peltsch   Zwischen Widerstand, Rave und Ritual – Steve Hui im Gespräch

II SPECIAL: TOP 22 EDO

III POSITIONEN

Wittener Tage für neue Kammermusik; intersonanzen, Potsdam; Björn Gottstein; Jugend Komponiert Bayern; Lash, Berlin; Richten 25, Berlin; Rewire, Den Haag; Archipel, Genf; Nova Contemporary Music Meeting, Lissabon; Jenny Wilson, Schweden; MaerzMusik, Berlin; Alex Paxton; Tectonics, Glasgow; AAA-AAA; Wagner Weltweit, Berlin; Gérard Grisey, Berlin; Borealis, Norwegen; Christopher Fox; Audiovisionen, Berlin; Musik Biennale Zagreb; Gagi Petrovic; Amercian Mother, Hagen; Out of Sight, Frankfurt/Main; Karl F. Gerber, München

EDITORIAL

Untwelving – wohl am charmantesten mit Entzwölfeln zu übersetzen – ist ein spielerischer Slogan einer jungen, digitalen und internationalen Szene von Musiker*innen, die daran arbeiten, die Musikwelt mit dem Reichtum mikrotonaler Skalen zu revolutionieren. Ob im Bandkontext oder im Ensemble, ob in Pop, Metal oder Neuer Musik – die üblichen Genregrenzen taugen längst nicht mehr, um das breite Tätigkeitsfeld dieser Szene zu fassen. Was sie verbindet, ist ein Interesse an alternativen Tonsystemen, die sich von der traditionellen 12-Ton- Stimmung lösen – die Stichworte sind EDO (Equal Divisions of the Octave) und xenharmonische Stimmungen.

Der Komponist Genoël von Lilienstern, der seit einigen Jahren selbst mit EDO-Stimmungen arbeitet und seitdem diese heranwachsende Szene beobachtet, hat als Gastredakteur einige zentrale Stimmen versammelt, die in diesem Heft ihre Praxis und Ideen vorstellen. Zunächst skizziert von Lilienstern das Zeitalter einer Neo Neuen Musik – in der ein neuer Typ von nerdigen Spezialist:innen aus Bereichen wie Synthesizermusik, Drone, KI oder Xenharmonik neue Impulse in den Raum der Neuen Musik trägt.

Eine Schlüsselfigur dieser Bewegung ist der Komponist und Kurator Stephen Weigel, nicht zuletzt durch seinen Podcast Now and Xen, der bald mit 100 Episoden das Rückgrat einer vernetzten Szene von EDO-Enthusiast*innen bildet. Von Lilienstern interviewt ihn ausführlich, daneben stellen Irene Lehmann und er in kürzeren Gesprächen weitere Protagonist*innen zwischen ihrer Tüftler-Existenz und Insta-Star-Sein vor.

Der in Hamburg lebende Komponist Todd Harrop gibt in einem Essay Einblick in seine Arbeit mit dem mikrotonalen System Bohlen–Pierce, das – statt sich an der Oktave zu orientieren – eine ganz eigene mathematische Logik verfolgt und in Harrops Praxis auch performative Spielräume eröffnet.

Das EDO-Special dieses Hefts lädt zu einem Deep Dive ein – in eine Szene, die so vielfältig wie ihre Skalen ist. Es zeigt die Musik und Internet Art der Komponist* innen und Musiker*innen, die auf digitalen Plattformen vernetzt sind und neue Wege des Hörens und Komponierens beschreiten.

Daneben widmet sich das Heft auch anderen aktuellen Themen: Stellan Veloce knüpft an das vor drei Jahren erschienene Positionen-Themenheft #132 zur New-Age-Musik an und beobachtet in Berlin den Boom von Soundhealings und Treatments, die man heute über Sport-Apps buchen kann. Jacques Zafra wiederum nimmt in seinem Essay einen vielgehörten Satz aus Konzertgesprächen unter die Lupe: »Diese Musik hat nicht funktioniert.« Was genau bedeutet das – und für wen? Fabian Peltsch, der bereits für das Mai-Heft #143 zur Chormusik durch China reiste, hat in Hongkong den Experimentalmusiker Steve Hui getroffen und ihn zu seiner chorischen Straßenmusikpraxis mit lokalen Gemeinschaften interviewt.

Wir wünschen viel Freude und Anregung beim Lesen – und natürlich beim Deep Diven in die faszinierenden Welten der xenharmonischen Musik.

Bastian Zimmermann & Genoël von Lilienstern