Charmeoffensive

I CHARMEOFFENSIVE

Diverse   Kritik als…, Hormone, Das Geschriebene Wort, Drones, Konzeptmusik, Klaus Lang, The New Discipline, Theater hören, Different Bombs, Transkulturalität in Korea, Dekolonisationsdiskurs/Lateinamerika, Painful Read, Das Publikum als Therapeut, Das Weiße, Lohengrin / Theatralik des Krieges, Improvisation, Neue Musik

Rosa Klee   Verbotene Liebe – Musik lieben lernen mit bell hooks

Sven Schlijper-Karssenberg   Strategien rund um das Persönliche – das (Auto-)Biografische im zeitgenössischen Komponieren

Edward Henderson   Ein Hyperproduktives schwindelerregens Sammelsurium an Musik

Hans-Jörg Kapp   Gesangsarbeit im zeitgenössischen Musiktheater

Kalas Liebfried   Mit dem Gesicht zur Wand – Ein Interview mit Marco Fusinato

II POSITIONEN

World New Music Days, Johannesburg, Soweto, Kapstadt; Vocations. Reimagining the Lied; REM-Festival, Bremen; Exhibiting SoundArt; Birgit Ulher; Liam Cagney, Jeffrey Arno Brown: Gérard Grisey; Soosan Lolavar; Sacrum Profanum, Krakau; Jazzfest Berlin; Neue Musik Rockenhausen; Ailís Ní Ríain; Gordon Kampe; Chromatic Wednesdays; Brian Eno; EvS Musikstiftung; Sound:Plasma, Ensemble for New Music Tallinn; Sonic Matter, Zürich; Experimentelle Musik, München

EDITORIAL

Letzten Sommer sind wir mit dem Heft #136 tief in die Reflektion des eigenen Wirkens eingestiegen und haben nach dem aktuellen Stand von Kritik und der Situation von Kulturzeitschriften gefragt. Einige Thesen waren allzu simpel zu erfassen und ernüchternd: Kritik scheint nicht mehr möglich, da viele Autor*innen aufgrund der niedrigen Texthonorare für alle möglichen Player im Musikbetrieb schreiben müssen; in dem einen Jahr ist es der Programmhefttext für ein Festival, im darauffolgenden Jahr ist es eine Kritik über jenes Festival für eine Zeitschrift wie die unsre. Aber will man als Autor*in, die eventuell noch als Dramaturg*in oder Komponist*in arbeitet, meine anderen Schreibjobs riskieren? Wie soll mensch da unbefangen schreiben, soll mensch bloß charmant durch die Welt schreiten?

Kritik kann aber nicht nur Jobs verhindern, sondern auch Menschen und Mengen aufbringen. Eine unserer Autor*innen wurde nach ihrer ersten harschen und gut begründeten Kritik monatelang von einer Künstler*in gestalkt, um schlussendlich in den sozialen Medien zu sehen, dass ebendiese Künstler*in in Reaktion auf die Kritik ganz ihr Metier aufgegeben hat. Nun geht es aber auch darum, wie Kritik geschrieben wird, wozu und für wen. Zum fünfjährigen Bestehen der neuen Positionenredaktion haben einige unserer wichtigen Stammautor*innen dazu beigetragen, eine ›Charmeoffensive‹ zu starten, also Kritik zu formulieren über etwas, das ihnen nicht gefallen hat, dringende Fragen zu stellen, Tendenzen der Zeit aufzuspüren. Das Spektrum der 19 Texte reicht von Aufführungskritiken bis hin zu Kommentaren zum Kulturbetrieb. Auf dass der Mund danach uns allen offener steht! Gebündelt ist mensch stärker.

Rosa Klee antwortet mit ihrem Essay darauf ungleich charmanter – mit einer Hymne an die Liebe, so wie sie von der Aktivist*in und Autor*in bell hooks verstanden wird – und recherchiert sich tief in das Feld der Amateurmusik und Musik-Liebhaber*innen ein. Sven Schlijper-Karssenberg begibt sich auch ins Feld des Persönlichen und sucht bei zehn verschiedenen Musik*innen und vielen Hörbeispielen nach der künstlerischen Verarbeitung von (auto-)biografischen Inhalten im zeitgenössischen Komponieren. Wohin eine extreme Überproduktion von Inhalten führen, dem geht Edward Henderson in seinem Essay zu den Komponisten Gavin Gamboa, Matt Farley und Matthew Lee Knowles.

Daraufhin befragt Hans-Jörg Kapp den Stand von sängerischer Arbeit im Musiktheater heute. Irgendwo zwischen barocken Gesten und persönlichstem Ausdruck entstehen eigene Formen der Körperlichkeit des Singens, die eklatant was anderes sind als das Sprechen. Und Kalas Liebfried hat den Künstler und Musiker Marco Fusinato zu seiner künstlerischen Praxis mit seiner E-Gitarre in Kunsträumen interviewt.

Das Special mit unseren krassen, bösen Kritiken liegt diesmal am Anfang des Hefts, so dass wir in gewohnter Weise mit unseren nicht weniger kritischen Positionen weiter ›ganz charmant‹ dieses Heft schließen können.

Großer Dank geht an den Instagramkanal Gustaver der Liebe für die Illustration der Charmeoffensive.

Wir wünschen viel Spaß und Anregung beim Lesen dieses Hefts #138!

Bastian Zimmermann & Andreas Engström