Positionen #128 – August 2021

Christian Grüny   Wieso jetzt auch noch wir?

Genoël von Lilienstern   Yaanga — Los Angeles

Andreas Karl   Wider die Einbahnstraße — Identitäten im jüngsten chinesisch geprägten Komponieren

Jay Arms   »Made in the USA« — Gamelan Son of Lion und die amerikanische experimentelle Musik

Nico Daleman   The shape of Cumbia to come — Neo-Macondismo oder kolumbianische Avantgarde?

Jessie Cox   Das Drumset als Werkzeug Kreolisierter Welten

Lara Scherrieble   Über Wut und Liebe in the Wake

FASHION-SPECIAL

Die exklusive Positionen-Fachbekleidungsedition

von Heinz Maison Thomas

Models: Yana Thönnes & Ludwig Abraham, Fotos: Robin Thomas

POSITIONEN

Laurie Anderson: Spending the War Without You 1–3; Alvin Lucier: I am sitting in a Room / Lucier & Bach: Sitting in a Room; Dorrit Bauerecker One Woman Band; Helmut Lachenmann – My Way; Malte Pelleter ›Futurhythmaschinen‹; Alex Paxton: Music for Bosch People; Acht Brücken; Klangwerkstatt Online Festival; Morphine Records; Halim El-Dabh / MaerzMusik Festival für Zeitfragen; Smerz: Believer; Biliana Voutchkova: Under the Veil of Consciousness; Magical Soup; Sisters with Transistors: Lisa Rovner; Foodman: Yasuragi Land; Virtuelle Kunstausübung?: Das Internet als Bühne; Klangbrücken 2021 / Musique spectrale; Ten Cities. Clubbing in Nairobi…; Konstantia Gourzi: Anájikon & Nur wer die Sehnsucht kennt; Trickster Orchestra/Ensemble Extrakte; Adam Neely & Ben Levin: How I Loved My Cat; Wir bringen die Blase zum Platzen!

EDITORIAL

Die Donaueschinger Musiktage feiern im Oktober 2021 ihren 100. Geburtstag – mit dem Titel »Donaueschingen Global«. Wir wurden gefragt, ob wir dazu inhaltlich auch etwas beitragen wollen, das Festival ›flankieren‹; ein freies Supplement zum Themenkomplex Globalismus und Dekolonialisierung in der Neuen Musik.

Positionen ist eine global orientierte Zeitschrift, die drauf und dran nach globalen Aspekten und Themen sucht. Anstatt einfach neue Artikel zu China, Kolumbien und Indonesien zu publizieren, haben wir uns andere Fragen gestellt: Welche Prozesse lassen Musik global werden? Welche Prozesse artikulieren neue Wege des avancierten Musikmachens? Wie kann man die Kunstmusik unserer Zeit neu denken?

Das Label ›Experimentelle und Zeitgenössische Musik‹ wird in diesem Heft von vielen Schreiber*innen in Anspruch genommen. Christian Grüny: »Es gibt aber auch noch einen institutionellen und personellen Kern der Neuen Musik in einem relativ klassischen Verständnis. Von dieser Lage muss auch die Diskussion um Dekolonisierung ausgehen.« Einer seiner Vorschläge zur Dekolonialisierung wäre eine Art Selbstprovinzialisierung. Wie das erreicht werden kann, soll unterschiedlich sein. Zum Beispiel könnte man bejahen, dass Genres in den verschiedenen Teilen der Welt eben sehr verschieden verstanden werden. Andreas Karl betont zum Komponieren in China: »Es gibt kein ausgeprägtes Bewusstsein für die Dekaden, die die europäische Musik des 20. Jahrhunderts durchschritt, weder ästhetisch noch historisch kontextuell. Darin liegt neben einigen Missverständnissen auch ein kugelhaft-zimmermannsches Moment kreativer Freiheit.« In einer tatsächlich globalisierten Welt der Künste fordert diese »kreative Freiheit« die Vorstellungen von der Definition Neuer Musik heraus. Teil dieses Prozesses muss unbedingt eine neue Perspektive aufs kreative Musikschaffen mitbringen. Genoël von Lilienstern geht hierfür den Erfahrungsweg einer Erkenntnissuche im nativen Nordamerika. Jay Arms betrachtet die Aneignungsgeschichte von Gamelan-Orchestern. Und Nico Daleman fragt: Was bedeutet es eigentlich, wenn Cumbia, eine nicht immer hochgeachtete Popularmusik aus Kolumbien, in künstlerische Kreise und Ausbildungen integriert wird? Und was ist mit den radikalen Tendenzen einer internationalen elektronischen Popularmusik? Lara Scherrieble schreibt über ihr Erlebnis mit Bonaventures Musik und vollzieht den notwendigen Austritt aus dem Logozentrismus der Neuen Musik, stay ›in the wake‹! Es geht darum, mit neuen Augen und Ohren das ›Hier‹ (egal wo) zu betrachten – als Menschen, so Jessie Cox, die sich der »Situation des Rassismus und der Kolonialität bewusst sind, und gleichzeitig diese Praktik der alternativen Artikulation von Welten in dieser Auseinandersetzung hören können.«

Auch im Heft findet sich die erste Positionen-Kollektion eines fair produzierten Pullovers. Wir sind begeistert über die Kooperation mit Heinz Maison Thomas. Bestellungen sind möglich.

Wir wünschen den Donaueschinger Musiktagen alles Gute zum 100. Jubiläum und viel Inspiration beim Lesen!

Bastian Zimmermann & Andreas Engström